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AutorenbildChristian Asperger

Paarsein im 21.Jahrhundert - Einblicke in die Praxis der Paarberatung

Aktualisiert: 9. Jan. 2023

In den 50er Jahren des vorherigen Jahrtausends hatte die Ehe eine Monopolstellung in der Legitimierung und Organisation von Beziehungen und Familien. Heute sind viele verschiedene Beziehungsformen von Paarsein möglich. Nichts scheint als fix gegeben und alles muss neu ausgehandelt werden.

Mag. Christian Asperger | Paarberatung & Paartherapie
Mag. Christian Asperger | Paarberatung & Paartherapie

Nichts scheint die Menschen so sehr zu bewegen wie die Suche nach der großen Liebe. In einer Zeit rasanten Wandels und schier unbegrenzter Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung sind Menschen auf der Suche nach einer Partnerschaft, in der die Autonomie der Partner und gleichzeitig auch emotionale Bezogenheit gelebt werden kann. Ein Wunschbild, welches bei näherer Betrachtung und auf Basis realer Erfahrungen viele von uns vor eine große Herausforderung stellt.


“Im Enttäuschungsfall gaben Frauen früher ihre Hoffnungen auf. Heute halten sie an den Hoffnungen fest und geben die Partnerschaft auf.”

Sind es tatsächlich veränderte Rollenbilder, die uns heute das Leben einer idealen Partnerschaft so sehr zu schaffen machen? Oder sind es überzogene Erwartungen, idealisierte Bilder aus der Internet- und Medienwelt, die uns im Außen als mögliche Referenzpunkte dienen?



Wandel der Werte in Paarbeziehungen


In der Moderne waren Rollenzuschreibungen klar vorgegeben und schufen in einem patriarchalen Gefüge getrennte Lebenswelten mit klar definierten Zuständigkeiten. Die Erwartungen an den Partner waren verstärkt ausgerichtet auf Verlässlichkeit, Loyalität und Engagement im jeweiligen Zuständigkeitsbereich. Emotionale Bindung war möglich, aber nicht das wichtigstes Fundament der Beziehung. Durch die Revolution der 60er und später 80er Jahre des vergangenen Jahrtausends wurden die tradierten Geschlechterrollen aufgelöst und die Ehe verlor ihre Versorgungsfunktion. Dadurch konnten sich in weiterer Folge viele verschiedene Formen von Beziehung und Familie entwickeln.


Werte wie emotionale Kommunikation oder Intimität etablierten sich als wesentliche Teile einer partnerschaftlichen Beziehung. Daraus folgte auch die Herausforderung Autonomie bei gleichzeitiger emotionaler Bezogenheit auf den Partner zu leben. Eine ideale Beziehung beruht seither auf gegenseitiger Offenheit, aktivem Vertrauen oder Gleichberechtigung der Partner. Dies erfordert auch einen offenen Dialog in der Partnerschaft. Eine Paarbeziehung wird solange aufrechterhalten, wie beide Partner sich wohlfühlen. Gleichzeitig besteht aber weiterhin bei vielen Paaren der Wunsch nach Verlässlichkeit, Verbindlichkeit, das Füreinander-da-sein in einer lebenslangen Beziehung.

Während eine Liebesbeziehung nichtintentional ist, d.h. es gibt keinen vertraglich geregelten Ein- und Austritt, verhält es sich mit einer Partnerschaft oder Ehe genau anders. Liebe kann man nur schenken, nicht einfordern. Bei einer Partnerschaft gibt es Anspruch auf die Einhaltungen von "Vertragstreue" oder die Wahrnehmung von Pflichten. Die Qualität einer Partnerschaft wird vor allem durch die Fertigkeiten eines Paares bestimmt. Zufriedene wie unzufriedene Paare haben Konflikte, aber sie unterscheiden sich hinsichtlich des Umgangs mit diesen Konflikten, der Lösung von Problemen und dem Umgang mit Alltagsstress. Zufriedene Paare zeigen bei Konflikten eher Handlungen, die Interaktionen erleichtern (z.B. Humor oder Akzeptanz) und engagieren sich stärker für eine effiziente Lösung von Problemen, indem sie mehr ausprobieren, mehr Informationen suchen und weitergeben. Unglückliche Paare hingegen tendieren dazu sich in einen negativen Kreislauf zu manövrieren. Ihre Interaktionen sind weniger positiv, zeigen wechselseitige Negativität, Kritik, Sarkasmus oder Abwertungen. Es sind nicht die Differenzen zwischen den Partnern, die eine Beziehung zum Scheitern bringen, sondern die Art, wie Partner mit diesen Differenzen umgehen.


Sehr oft prägen Klagen das Bild unglücklicher Partnerschaften. Klagen sind jedoch nichts anderes als ein verzweifelter Versuch eines machtlosen Partners doch noch Einfluss auf die Verhaltenswahl des anderen nehmen zu können oder eigene Bedürfnisse zur Geltung zu bringen. Streit und Gekränktheit lassen sich so oft als Ausdruck des Wunsches nach Anerkennung und Bestätigung durch den Partner verstehen. So verbirgt sich hinter jeder Klage ein Teil Wut und ein Teil an einer bestimmten Sehnsucht.



Konflikte brauchen Beteiligung


Paare bewegen sich somit in einem Spannungsfeld zwischen eigenen Interessen, den Interessen des anderen sowie Interessen der Partnerschaft. Damit ergibt sich ein stetiges Pendeln zwischen Autonomie und Bezogenheit. Jeder Partner bringt aber natürlich auch eigene Werte, Erfahrungen und Wünsche aus dem Kontext der eigenen Lebensgeschichte ein. Ein Bewusstmachen dieser sowie wechselseitiger Dynamiken und Kommunikationsmuster im Rahmen einer Paartherapie kann für ein gemeinsames Verständnis hilfreich sein.


* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.

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