In Österreich leiden rund 38% der Personen über 15 Jahre an chronischen Erkrankungen (lt. Statistik Austria 2019). Chronische Erkrankungen sind langwierige gesundheitliche Zustände wie Diabetes, Asthma oder chronische Schmerzen, die nicht nur den Körper, sondern auch die Psyche stark belasten. Sie können durch genetische Faktoren, ungesunde Lebensweisen oder Umweltbedingungen entstehen. Die Diagnose einer chronischen Krankheit löst oft emotionale Reaktionen wie Schock, Angst oder Traurigkeit aus. Langfristig können chronische Erkrankungen zu Depressionen, Stress, sozialer Isolation und einem verminderten Selbstwertgefühl führen.
Hier setzt die Psychotherapie an: Sie bietet Betroffenen Unterstützung bei der Verarbeitung der Diagnose, dem Umgang mit Stress und der Förderung von Selbstakzeptanz. Psychotherapie hilft dabei, den emotionalen Belastungen der Krankheit entgegenzuwirken, gesunde Bewältigungsstrategien zu entwickeln und die Lebensqualität zu verbessern. So kann sie den Betroffenen helfen, trotz chronischer Erkrankungen ein erfüllteres und mental ausgeglicheneres Leben zu führen.
Was mach chronische Erkrankungen aus und wie können sie entstehen?
Chronische Erkrankungen sind langfristige Gesundheitszustände, die oft über Monate oder Jahre hinweg anhalten und manchmal das ganze Leben bestehen bleiben. Typische Beispiele sind Diabetes, chronische Schmerzen, rheumatische Erkrankungen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma oder Multiple Sklerose. Anders als akute Krankheiten, die plötzlich auftreten und nach einer Behandlung verschwinden, erfordern chronische Krankheiten oft eine dauerhafte medizinische Betreuung. Chronische Erkrankungen können in verschiedenen Ausprägungen die Aktivitäten im Lebensalltag, das psychische Wohlbefinden, das soziale Verhalten und somit die Lebensqualität des Einzelnen stark beeinflussen.
Die Ursachen sind vielfältig: Genetische Veranlagung spielt eine Rolle, etwa bei Diabetes oder Herzkrankheiten. Auch ein ungesunder Lebensstil, geprägt von schlechter Ernährung, Bewegungsmangel, Rauchen oder Alkoholkonsum, begünstigt die Entwicklung vieler chronischer Erkrankungen. Umweltfaktoren wie Luftverschmutzung oder belastende Arbeitsbedingungen können ebenfalls zu chronischen Krankheiten beitragen, beispielsweise bei Asthma oder COPD. Weitere Ursachen sind Infektionen, die zu dauerhaften Gesundheitsschäden führen können wie z.B. Long Covid, sowie Autoimmunerkrankungen, bei denen das Immunsystem den eigenen Körper angreift, wie bei Rheuma oder Multiple Sklerose. Mit zunehmendem Alter steigt zudem das Risiko, chronische Erkrankungen zu entwickeln.
Chronische Erkrankungen sind in ihrer Entstehung meist komplex und erfordern einen ganzheitlichen Ansatz für Behandlung und Bewältigung.
Wie gehen Betroffene mit der Diagnose einer chronischen Erkrankung um?
Die Diagnose einer chronischen Erkrankung ist ein einschneidendes Ereignis im Leben der Betroffenen. Chronische Erkrankungen können zu Veränderungen der eigenen Körperwahrnehmung, des Verhaltens, der sozialen Interaktion und des emotionalen Erlebens führen. Plötzlich werden Zukunftspläne in Frage und die Lebensplanung auf den Kopf gestellt. Häufig sind damit Gefühle der Überforderung, Angst und Traurigkeit verbunden. Zu wissen, dass eine Krankheit möglicherweise das ganze Leben begleiten wird, kann zu emotionalen Belastungen führen.
Viele Betroffene durchlaufen nach der Diagnose einen Prozess der Anpassung. Anfangs steht oft der Schock im Vordergrund, gefolgt von Verleugnung oder Wut. Mit der Zeit müssen sie lernen, die neue Realität zu akzeptieren und den Alltag entsprechend anzupassen. Doch nicht jeder Mensch findet diesen Weg der Akzeptanz problemlos. Für einige kann die emotionale Last zu erheblichen psychischen Problemen führen.
Auswirkungen chronischer Erkrankungen auf die Psyche
Chronische Erkrankungen haben nicht nur physische Auswirkungen, sondern können auch tief in die mentale Gesundheit eingreifen. Die Diagnose ruft viele Unsicherheiten hervor bezüglich der eigenen Identität und Lebensplanung. Im Gegensatz zu einer akuten Erkrankung begleitet eine chronische Erkrankung die Betroffenen dauerhaft. Während bei akut Erkrankten der Fokus auf die schnelle Genesung gelegt wird, ist dies bei einer chronischen Erkrankung nicht anwendbar. Es handelt sich nicht um einen Ausnahmezustand wie bei einer akuten Krankheit. Unsere Gesellschaft ist auf Leistungsfähigkeit ausgerichtet und es besteht in vielen Fällen eine grosse Erwartungshaltung an erkrankte Menschen, schnellstmöglich wieder die erforderten Leistungen erbringen zu können. Es wird erwartet, dass die hierfür notwendigen Massnahmen ergriffen werden. Dies ist bei einer chronischen Erkrankung jedoch nicht im gleichen Ausmass möglich wie bei einer akuten. Eine dauerhafte Einschränkung kann daher bei Betroffenen zu Unsicherheiten und Gefühlen der Unzulänglichkeit führen. Die unklare soziale Rolle stellt eine zusätzliche Belastung zur chronischen Erkrankung dar.
Häufig entwickeln sich daraus psychische Probleme wie Depressionen oder Angststörungen. Die Ursachen dafür sind vielfältig:
Ständiger Stress durch den Umgang mit der Krankheit: Regelmäßige Arztbesuche, Medikamente und Schmerzen können zu einer erheblichen Belastung werden.
Einschränkungen im Alltag: Viele Betroffene müssen ihre Lebensgewohnheiten anpassen, was zu einem Gefühl des Kontrollverlustes führt.
Soziale Isolation: Durch die Krankheit können Betroffene weniger aktiv am sozialen Leben teilnehmen, was Einsamkeit und das Gefühl der Ausgrenzung verstärkt.
Ängste vor der Zukunft: Die Ungewissheit über den Krankheitsverlauf kann zu existenziellen Ängsten führen.
Negative Selbstwahrnehmung: Menschen mit chronischen Erkrankungen fühlen sich oft stigmatisiert oder empfinden sich als „anders“, was das Selbstwertgefühl beeinträchtigt.
Wie kann Psychotherapie beim Umgang mit einer chronischen Erkrankung helfen?
Die psychischen Auswirkungen chronischer Erkrankungen dürfen nicht unterschätzt werden, und hier kommt die Psychotherapie ins Spiel. Ein professioneller Therapeut kann dabei helfen, die psychischen Belastungen besser zu verarbeiten und einen gesünderen Umgang mit der Krankheit zu finden.
Hier sind einige Wege, wie eine psychotherapeutische Behandlung Betroffenen helfen kann:
Emotionale Bewältigung der Diagnose
Eine der ersten Aufgaben in der Psychotherapie ist es, den Betroffenen bei der Verarbeitung der Diagnose zu unterstützen. Therapeuten helfen, die Emotionen, die mit einer chronischen Krankheit einhergehen, zu benennen und konstruktiv zu verarbeiten. Das Verstehen und Annehmen der eigenen Gefühle kann ein erster Schritt sein, um die Belastung der Diagnose zu lindern.
Umgang mit Stress und Belastungen
Die dauerhafte Auseinandersetzung mit einer chronischen Krankheit kann extrem stressig sein. In der Therapie werden Betroffene mit Techniken ausgestattet, um besser mit Stress umzugehen.
Dazu gehören Entspannungsmethoden, Achtsamkeitstraining oder Aktivierung von Ressourcen, die helfen, negative Denkmuster zu erkennen und zu verändern.
Förderung von Selbstfürsorge und Selbstakzeptanz
Menschen mit chronischen Krankheiten neigen oft dazu, sich selbst zu vernachlässigen oder sich in negativen Gedanken zu verlieren. Eine Therapie kann helfen, das eigene Selbstbild zu verbessern, Selbstakzeptanz zu fördern und eine positive Einstellung zur eigenen Gesundheit zu entwickeln.
Unterstützung bei sozialen und zwischenmenschlichen Herausforderungen
Chronische Erkrankungen können zu sozialer Isolation führen, insbesondere wenn sich Betroffene aus Angst vor Ablehnung zurückziehen. In der Therapie können Strategien entwickelt werden, um den Kontakt zu Freunden, Familie und anderen sozialen Netzwerken aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen.
Verbesserung der Lebensqualität
Letztendlich zielt die Psychotherapie darauf ab, die Lebensqualität zu verbessern. Indem Betroffene lernen, sich trotz ihrer Krankheit auf positive Aspekte zu konzentrieren, können sie ein erfüllteres Leben führen. Psychotherapie bietet Raum, die eigene Krankheit besser zu verstehen und einen individuell angepassten Umgang damit zu finden.
Fazit
Chronische Erkrankungen stellen eine immense körperliche und emotionale Herausforderung dar, die das Leben der Betroffenen tiefgreifend beeinflusst. Sie zeichnen sich durch ihre Langfristigkeit und oft fortschreitenden Verlauf aus, was zu dauerhaften gesundheitlichen Einschränkungen führt. Neben den physischen Symptomen bringen chronische Krankheiten auch erhebliche psychische Belastungen mit sich. Der Umgang mit ständigen Schmerzen, Medikamenteneinnahmen, Arztbesuchen und der Ungewissheit über den Krankheitsverlauf kann zu Stress, Ängsten, Depressionen und sozialer Isolation führen.
An dieser Stelle wird deutlich, wie wertvoll eine Psychotherapie für Menschen mit chronischen Erkrankungen sein kann. Sie bietet den Betroffenen emotionale Unterstützung, hilft bei der Verarbeitung der Diagnose und fördert gesunde Bewältigungsstrategien für den Alltag. Psychotherapeutische Behandlungen ermöglichen es, den Stress, der durch die Krankheit entsteht, besser zu bewältigen, das Selbstwertgefühl zu stärken und die Lebensqualität trotz der chronischen Belastung zu verbessern. Die Therapie hilft auch dabei, soziale Isolation zu überwinden und wieder aktiv am Leben teilzunehmen.
Durch eine enge Zusammenarbeit von medizinischer und psychotherapeutischer Betreuung können Menschen mit chronischen Erkrankungen nicht nur ihre körperliche Gesundheit optimieren, sondern auch ihre mentale Stärke zurückgewinnen. Ein ganzheitlicher Ansatz, der sowohl die physischen als auch die psychischen Aspekte der Krankheit berücksichtigt, ist entscheidend, um das Wohlbefinden langfristig zu sichern und trotz der Herausforderungen ein erfülltes Leben zu führen.
* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.
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