Auf der Suche nach der perfekten Partnerschaft, der perfekten Karriere, dem perfekten Urlaub oder zumindest dem perfekten Abbild von all diesen Dingen können wir ungeahnte Energien entwickeln. Das positive Feedback unseres sozialen Umfelds wirkt dann noch wie ein zusätzlicher Brandbeschleuniger.
In einer scheinbar perfekten Welt aus Instagram- und YouTube-Erfolgsgeschichten ist es gar nicht so einfach, etwas mal nur einfach so ohne Anspruch auf Perfektionismus zu machen. Die sozialen Medien suggerieren uns, dass jede und jeder erfolgreich sein kann, wenn man es nur will. Das perfekte Make-Up, die perfekt dekorierte Wohnung, das perfekte Familienleben oder das perfekte Urlaubsfoto mag gekonnt inszeniert werden. Die zahlreichen Views und Likes winken dafür als Belohnung, um den sozialen Status und damit auch das eigene Ego zu pushen. Doch wie war das eigentlich in den Zeiten vor Facebook & Co.? Gabe es damals auch schon diesen Druck das perfekte Leben zu führen? Wie sind frühere Generationen mit diesem Streben nach Perfektionismus umgegangen? Und gab es damals auch schon zu so etwas wie Burnout Phänomene?
Wie schafft es die Angst mit Ihnen in Kontakt zu treten?
Als später 70er-Geborener bin ich in meiner Kindheit und Jugend natürlich noch ohne diese neuen sozialen Medien sozialisiert worden. Als Orientierung und Vorbilder dienten uns wie heute natürlich primär unser engstes, familiäres Umfeld. Dazu kamen dann später Freunde aus der Schulzeit sowie vorwiegend Musiker und Schauspieler aus Print, Radio und TV -Medien. So verfolgten wir unsere Lieblingsbands oder Fernsehstars in diversen TV-Shows oder Jugendmagazinen. Sie dienten uns heranwachsenden Jugendlichen als Vorbild für einen coolen Lifestyle. Im Unterschied zur heutigen Medienlandschaft wussten wir aber auch, dass unsere Idole der Jugend aus Hollywood oder anderen Entertainment-Hochburgen für ihre perfekte Inszenierung eine Heerschar an Leuten um sich hatten, damit dieses perfekte Bild oder Video entstehen konnte.
Für einen eher realistischen Bezugspunkt in unserer Entwicklung dienten daher Menschen aus unserem unmittelbaren Umfeld. Neben der Familie waren es daher vor allem unsere Peers aus dem Schul- und Freundeskreis. In meinem Fall war beispielsweise die Leistungsorientierung in der Schule ein wichtiger vorgelebter Wert meiner Eltern. Es war ihnen wichtig, dass ich einen gewissen Ehrgeiz entwickeln sollte, um - wie es sich wahrscheinlich die meisten Eltern für ihre Kinder wünschen würden - es später einmal besser haben zu können. In meinem Fall lag der Fokus meiner Eltern sehr stark auf der schulischen Ausbildung, dafür weniger auf sportlichen oder künstlerischen Dingen. Doch egal um welchen Bereich es geht, zur Entwicklung des Ehrgeizes bedarf es einer entsprechenden Förderung und Forderung.
Haben wir erst einmal unsere Motivation und Begeisterung für eine bestimmte Domäne gefunden, sind wir auch bereit entsprechende Mühen auf uns zu nehmen. Wir streben nach einer stetigen Weiterentwicklung unserer Skills um eine bessere Version von uns selbst zu erreichen. Als Orientierung dienen uns Peers oder Konkurrenten, quantitative oder qualitative Bewertungen. Angetrieben von positivem Feedback unseres Umfeldes streben wir immer weiter nach Verbesserungen. Durch ein für uns stimmiges Verhältnis von Aufwand und persönlichem Nutzen kommen wir vielleicht sogar in einen Flow Zustand, der es uns eventuell erlaubt noch mehr Energie als bisher für die Erreichung eines bestimmten Zieles aufzuwenden.
Ähnliche Erfahrungen durfte auch ich machen. Nach bestandener Matura im Realgymnasium begann ich ein Studium der Betriebswirtschaftslehre. Schon früh erkannte ich mein spezielles Interesse an der Konsumentenpsychologie, der Erforschung von Marktpotentialen sowie der Gestaltung und Planung von entsprechenden Produkt- und Marktstrategien. So kam es, dass ich nach einer entsprechenden Spezialisierung im Marketing im Laufe des Studiums auch beruflich meinen ersten Job in diesem Umfeld beginnen durfte. Gerade in den ersten Jahren hatte ich eine extrem steile Lernkurve zu verzeichnen. Wissbegierig und engagiert versuchte ich durch möglichst viel Praxiserfahrung mein theoretisches Wissen zu festigen. Waren es zu Beginn noch eher kleinere Arbeiten, bekam ich später Stück für Stück mehr Vertrauen geschenkt und so auch die Verantwortung für größere Projekte übertragen. Mein immenses Engagement und mein hohes Verantwortungsbewusstsein waren es dann auch, die mir in weiterer Folge auch attraktive Karrierechancen ermöglichten.
In den folgenden 10 Jahren durchlief ich so verschiedene Stationen in der unteren und mittleren Führungsebene. Mein Verantwortungsbewusstsein galt somit nicht nur primär meiner Arbeit, sondern auch meiner Mitarbeiter. Gemeinsam mit meinem hohen Anspruch war dies eine große Herausforderung für meine Kapazitäten. Nun lernt man natürlich als junge Führungskraft in diversen Seminaren und durch Coaching von bestimmten Themen loslassen zu müssen und sich dafür auf die neue Aufgaben der Rolle zu konzentrieren. Diese Transition setzt auf der persönlichen Ebene an. Es geht dabei nicht nur um das Erlernen neuer Skills, sondern auch um das Hinterfragen bestimmter Werte oder Muster, die uns prägen und höchst wahrscheinlich auch sehr nützlich gewesen sind. Genau diesen Prozess hatte auch ich vor mir.
In meinem Fall waren es zu dieser Zeit mein Perfektionismus in Kombination mit meinem Sinn für Gerechtigkeit, die mich vor große Herausforderungen stellen sollten. Ich merkte, wie die Spannung in mir immer mehr zunahm. Es waren die tief in mir sitzenden Werte, die es mir manchmal unmöglich machten, Herausforderungen in bestimmten Situationen für mich angemessen lösen zu können. Ich hatte teilweise das Gefühl, sprichwörtlich gegen Windmühlen zu kämpfen und damit nährte ich den Druck und die Spannungen in mir. Trotz all meiner erlernten Lösungskompetenzen fühlte ich mich hier auf verlorenen Posten. Ich merkte wie meine Energie schwand, Konzentrationsstörungen einsetzen und ich auch erste psychosomatische Beschwerden wahrnehmen konnte. Auch wenn es mir anfänglich sehr schwer fiel mir diese Entwicklung einzugestehen, merkte ich nach einiger Zeit, dass ich hier selbst und auch durch ein Coaching alleine nicht mehr raus kommen würde. Erstmals setzte ich mich so mit dem Thema Psychotherapie auseinander und lernte auch, mich auf einen Prozess der Entwicklung ohne den Anspruch auf eine perfekte Lösung einzulassen.
* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.
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