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AutorenbildChristian Asperger

Alkohol und Depression: Ein gefährlicher Teufelskreis

Aktualisiert: vor 20 Stunden

Alkohol und Depression sind zwei Phänomene, die häufig miteinander verwoben sind. Was zunächst als scheinbare Erleichterung beginnt, entwickelt sich für viele Betroffene zu einem Teufelskreis: Alkohol wird als Bewältigungsstrategie eingesetzt, doch langfristig verstärkt er depressive Symptome und führt zu neuen Problemen. In diesem Artikel beleuchten wir die komplexe Beziehung zwischen Alkohol und Depression aus der Sicht der systemischen Therapie und zeigen Ansätze zur Lösung auf.


Psychotherapie in Praxis in 1020 Wien

Alkohol und Depression: Zwei Seiten einer Medaille


Alkohol wird oft als „Medikament“ genutzt, um belastende Emotionen wie Traurigkeit, Angst oder Einsamkeit zu betäuben. Der Konsum kann kurzfristig entspannend wirken und scheinbar Erleichterung bringen. Doch langfristig kehren die Probleme verstärkt zurück. Alkohol greift in die chemischen Prozesse des Gehirns ein, reduziert die Produktion von Glückshormonen wie Serotonin und Dopamin und verschlimmert so depressive Symptome.


Die systemische Therapie betrachtet Alkohol und Depression nicht als isolierte Probleme. Stattdessen wird untersucht, wie diese Phänomene mit dem sozialen Umfeld, den Familienstrukturen und den unbewussten Mustern des Betroffenen zusammenhängen. Die Frage lautet: Welche Rolle spielen Alkohol und Depression im Gesamtsystem des Betroffenen? Und wie können diese Dynamiken verändert werden?


Systemische Erklärungsmuster für den Teufelskreis


In der systemischen Familientherapie wird davon ausgegangen, dass Symptome – wie Alkoholabhängigkeit oder Depression – eine Funktion im sozialen System haben. Häufig gibt es unbewusste Dynamiken, die die Probleme aufrechterhalten. Hier einige zentrale Erklärungsansätze:


1. Alkohol als Konfliktregulator in Familien

Manchmal dient der Alkohol dazu, Spannungen oder Konflikte innerhalb einer Familie zu dämpfen. Zum Beispiel könnte ein Familienmitglied durch seinen Konsum dafür sorgen, dass andere Themen – wie ungelöste Konflikte oder tiefergehende Beziehungsprobleme – nicht angesprochen werden. Der Alkohol wird so zu einem „Puffer“, der kurzfristig Frieden schafft, aber langfristig destruktiv wirkt.


2. Die wechselseitige Verstärkung

Depressionen führen oft dazu, dass Betroffene sich zurückziehen, den Alltag als überfordernd erleben und kaum Freude empfinden. Alkohol wird genutzt, um diese Gefühle zu mildern. Doch der Konsum führt zu Schuld- und Schamgefühlen, gesundheitlichen Problemen und sozialem Rückzug, was die Depression verstärkt – ein Teufelskreis entsteht.


3. Intergenerational übertragene Muster

Oft wiederholen sich Muster von Alkoholmissbrauch und Depression über mehrere Generationen. Kinder von Eltern mit Suchtproblemen haben ein erhöhtes Risiko, ähnliche Verhaltensweisen zu entwickeln. Die systemische Therapie spricht hier von „transgenerationalen Übertragungen“, bei denen unbewusste Muster weitergegeben werden.


4. Rollen und Erwartungen im System

In Familien oder sozialen Systemen können bestimmte Rollen den Alkoholkonsum fördern. Zum Beispiel kann ein Familienmitglied durch seine Rolle als „Schwarzes Schaf“ unbewusst dazu beitragen, dass andere sich als „Retter“ oder „Vermittler“ definieren. Der Alkohol wird so Teil eines größeren Beziehungsgeflechts.


Psychotherapeut Mag. Christian Asperger

Ansätze der systemischen Therapie und Suchttherapie


Die systemische Therapie bietet verschiedene Strategien, um den Teufelskreis zwischen Alkohol und Depression zu durchbrechen. Der Fokus liegt darauf, Muster im sozialen Umfeld zu erkennen und Veränderungen zu fördern.


1. Ressourcenorientierung

Anstatt sich ausschließlich auf die Probleme zu konzentrieren, rückt die systemische Therapie die Stärken und Ressourcen des Betroffenen in den Mittelpunkt. Welche positiven Beziehungen gibt es? Welche Fähigkeiten könnten genutzt werden, um den Alltag besser zu bewältigen? Diese Perspektive stärkt die Motivation und das Selbstbewusstsein des Betroffenen.


2. Arbeit mit dysfunktionalen Mustern

Therapeuten helfen, destruktive Kommunikations- und Verhaltensmuster innerhalb der Familie oder Partnerschaft zu erkennen. Ein Beispiel: Wenn Konflikte immer wieder durch Schweigen oder Aggression vermieden werden, kann der Alkohol zu einer „Brücke“ werden, um Spannungen zu lösen. Gemeinsam werden neue, gesunde Muster erarbeitet.


3. Ambivalenzexploration

In der Suchttherapie ist es wichtig, die inneren Widersprüche des Betroffenen offenzulegen. Welche Vorteile bringt der Alkohol in der aktuellen Situation? Welche Nachteile entstehen dadurch? Diese Reflexion hilft, die eigene Veränderungsbereitschaft zu fördern.


4. Entwicklung neuer Bewältigungsstrategien

Betroffene lernen, mit Belastungen anders umzugehen. Statt auf Alkohol zurückzugreifen, werden alternative Bewältigungsstrategien erarbeitet – wie der Aufbau von sozialen Netzwerken, die Nutzung von Achtsamkeitsübungen oder die Integration von Bewegung und gesunder Ernährung in den Alltag.


5. Einbeziehung des sozialen Umfelds

Die systemische Therapie bezieht das soziale Umfeld aktiv in den Prozess ein. Angehörige können eine wichtige Rolle spielen, um Rückfälle zu vermeiden und den Betroffenen zu unterstützen. Gleichzeitig werden auch ihre Bedürfnisse berücksichtigt, um eine Überlastung zu vermeiden.


Praktische Lösungsansätze für Betroffene und Angehörige


Für Menschen, die im Teufelskreis von Alkohol und Depression gefangen sind, gibt es konkrete Schritte, um Hilfe zu finden und erste Veränderungen einzuleiten:


1. Frühzeitige Unterstützung suchen

Der wichtigste Schritt ist, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Psychotherapeuten, Suchtberatungsstellen und Selbsthilfegruppen bieten Unterstützung für Betroffene und Angehörige.


2. Offenheit und Kommunikation fördern

Es ist wichtig, in Familien oder Partnerschaften offen über Probleme zu sprechen. Eine ehrliche Kommunikation schafft Raum für Verständnis und Lösungen.


3. Langfristige Ziele entwickeln

Ein Therapeut kann helfen, realistische und erreichbare Ziele zu setzen. Das kann beispielsweise der schrittweise Verzicht auf Alkohol oder die Verbesserung der emotionalen Stabilität sein.


4. Rückfälle als Lernprozess verstehen

Rückschläge sind normal und kein Zeichen des Scheiterns. Sie bieten die Möglichkeit, neue Strategien zu entwickeln und aus Fehlern zu lernen.



Fazit


Die Beziehung zwischen Alkohol und Depression ist komplex und fordert eine ganzheitliche Betrachtung. Die systemische Therapie bietet wertvolle Ansätze, um die Dynamik zu verstehen und zu verändern. Mit einer Kombination aus professioneller Unterstützung, Offenheit und Geduld können Betroffene und ihre Familien den Teufelskreis durchbrechen und neue Perspektiven für ein erfülltes Leben entwickeln.


* Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit verwende ich abwechselnd die weibliche oder männliche Form. Männer und Frauen sind natürlich gleichermaßen angesprochen. Gerne kann der Artikel auch über soziale Netzwerke geteilt werde.

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